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Die Rechtslage in Deutschland
Beim Thema Organspenden wird häufig ein Missbrauch der gespendeten Organe befürchtet. Wir klären auf, wie der Ablauf einer Organspende in Deutschland rechtlich geregelt ist.
In Deutschland gilt diesbezüglich die sogenannte „Entscheidungslösung“. Das heißt, jede Person muss sich aktiv für oder gegen eine Organspende nach dem Tod entscheiden. Vielleicht haben auch Sie schon einmal Informationsmaterial über Organspenden in Ihrem Briefkasten vorgefunden – auf diese Weise sollen möglichst alle in Deutschland lebenden Menschen neutral über das Thema aufgeklärt werden, sodass sie eine sichere und gut informierte Entscheidung für oder gegen eine Organspende treffen können.
Wichtig: In Deutschland wird niemand dazu gedrängt, Organspender zu werden. Eine Entscheidung gegen eine Organspende ist mit keinerlei Nachteilen verbunden.
Am bekanntesten ist sicher der Organspendeausweis. Die Entscheidung, die Sie darauf vermerken, wird nach Ihrem Tod berücksichtigt. Wichtig ist, den Spendeausweis richtig auszufüllen und stets bei sich zu tragen (weitere Informationen dazu finden Sie hier).
Alternativ können Sie Ihre Entscheidung über die Organspende auch in einem selbst aufgesetzten Dokument oder im Rahmen einer Patientenverfügung festhalten, solange Sie das betreffende Dokument eigenhändig unterschreiben und dafür sorgen, dass es im Falle Ihres Todes schnell auffindbar ist.
Liegt beim Tod eines Menschen keine Entscheidung für oder gegen Organspende vor, müssen die Angehörigen im Sinne des Verstorbenen entscheiden.
Deutschland ist das einzige Land in Europa, in dem beim Thema Organ- und Gewebespende die Entscheidungslösung gilt. In anderen Ländern greift meist entweder die Erweiterte Zustimmungslösung oder die Widerspruchslösung.
Zustimmungslösung: Der verstorbenen Person dürfen nach dem Tod nur dann Organe entnommen werden, wenn diese dem zu Lebzeiten zugestimmt hat. In der Praxis gibt es in Europa aber nur die Erweiterte Zustimmungslösung: Liegt beim Tod keine Zustimmung des Verstorbenen vor, können die Angehörigen sich trotzdem dazu entscheiden, die Organe zu spenden.
Länder: Dänemark, Irland, Island, Litauen, Niederlande, Rumänien, Schweiz, Vereinigtes Königreich
Widerspruchslösung: Jeder Mensch ist automatisch Organspender, es sei denn, er widerspricht dem zu Lebzeiten ausdrücklich. Hat der Verstorbene keinen Widerspruch eingelegt, dürfen ihm nach dem Tod die Organe entnommen werden. In der Praxis wird davor aber häufig trotzdem erst die Zustimmung der Angehörigen eingeholt.
Länder: Belgien, Bulgarien, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Italien, Kroatien, Lettland, Liechtenstein, Luxemburg, Malta, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Schweden, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien, Türkei, Ungarn
Beim Tod im Ausland gelten hinsichtlich der Organspende die dortigen Gesetze. Informieren Sie sich daher vor Reiseantritt über die genauen Regelungen Ihres Zielortes. Es empfiehlt sich, einen Organspendeausweis in der Landessprache mit sich zu führen und ihn den entsprechenden Regelungen gemäß auszufüllen (mehr dazu finden Sie hier).
Niemand muss befürchten, dass das eigene Leben absichtlich aufs Spiel gesetzt oder lebenserhaltende Maßnahmen eingestellt werden, nur weil man Organspender ist. In Deutschland ist die wichtigste Voraussetzung für die Entnahme von Spenderorganen – neben der schriftlich dokumentierten Zustimmung des Spenders – der Hirntod des Patienten. Der Hirntod liegt dann vor, wenn so viele Bereiche des Gehirns unwiderruflich ausgefallen sind, dass das Gehirn nicht mehr funktionstüchtig ist. In diesem Fall besteht keine Möglichkeit mehr, dass der Mensch jemals wieder Bewusstsein erlangt.
Tatsächlich ist der Hirntod bei gleichzeitig voller Funktionsfähigkeit des Herz-Kreislauf-Systems eher selten. Um nach dem Tod Organe spenden zu können, müssen diese aber weiterhin mit Sauerstoff versorgt werden, damit sie funktionstüchtig bleiben. Im Falle eines Hirntodes kann dies nur über eine sofort eingeleitete künstliche Beatmung gewährleistet werden. Daher kommen für eine Organspende normalerweise ohnehin nur spendebereite Menschen in Frage, die auf einer Intensivstation verstorben sind. In vielen anderen Fällen kann weder rechtzeitig eine künstliche Beatmung eingeleitet noch der Hirntod eindeutig festgestellt werden.
Ein Maximalalter für Organspender gibt es grundsätzlich nicht. Sind die anderen Voraussetzungen erfüllt, entscheidet der Zustand der Organe sowie die genetische Kompatibilität mit möglichen Empfängern, ob die Organe für eine Transplantation genutzt werden oder nicht. Nur wenige Krankheiten wie z. B. akuter Krebs schließen eine Organspende völlig aus.
Bei Lebendspenden in Deutschland gilt: Der Spender muss dem Empfänger persönlich nahestehen, also z. B. über nahe Verwandtschaft oder Lebenspartnerschaft verbunden sein.
2012 war das Thema Organspende in aller Munde – leider nicht im positiven Sinn. Denn begonnen mit entdeckten Unregelmäßigkeiten bei der Organvergabe am Universitätsklinikum Göttingen rückten auch weitere Transplantationskliniken in den Fokus der Justiz. Der Vorwurf: Dortige Ärzte sollten eigenen Patienten einen besseren Platz auf der Warteliste für ein Spenderorgan verschafft haben, indem sie falsche Angaben an Eurotransplant übermittelt hatten. Patienten wurden auf dem Papier als kränker ausgegeben, als sie tatsächlich waren, um einen HU-Status zu erhalten (= High urgency = hohe Dringlichkeit). Patienten mit diesem Status rücken auf der Warteliste weit nach vorne, da in ihrem Fall eine baldige Transplantation als einzige Überlebenschance gilt. Durch die Manipulation dieser Daten erhielten einige Patienten ein Spenderorgan, die es jedoch nicht so dringend gebraucht hätten wie manch anderer auf der Warteliste.
Den verantwortlichen Ärzten wurde vorgeworfen, durch diese unrechtmäßige Bevorteilung ihrer Patienten das Leben anderer, wirklich schwer kranker Patienten aufs Spiel gesetzt zu haben. Einigen Beschuldigten konnten die Manipulationen nachgewiesen werden. In anderen Fällen ließ sich nicht genau feststellen, ob es sich bei den falschen Angaben um gezielte Manipulationen oder um Fehler bzw. Unachtsamkeiten handelte. Betroffen waren neben dem Universitätsklinikum Göttingen unter anderem auch das Klinikum rechts der Isar, das Deutsche Herzzentrum Berlin, das Universitätsklinikum Heidelberg und das Universitätsklinikum Leipzig.
Mutmaßlich als Reaktion auf das Bekanntwerden dieser Fälle ging die Zahl der registrierten Organspender in Deutschland in den Jahren 2012 und 2013 stark zurück. Um das Vertrauen der Bevölkerung in die Organtransplantation wiederherzustellen und künftige Manipulationen zu vermeiden, setzten Bundestag, die Bundesärztekammer sowie die Deutsche Krankenhausgesellschaft mehrere Maßnahmen um: So wurden beispielsweise regelmäßige sowie unangekündigte Kontrollen der Transplantationszentren eingeführt und Empfehlungen ausgesprochen, dass Ärzte und Kliniken künftig keine Bonuszahlungen für Organtransplantationen mehr erhalten sollen. Zudem sind Manipulationen von Patientendaten im Rahmen einer Organtransplantation inzwischen strafbar und können Geld- oder Freiheitsstrafen von bis zu zwei Jahren nach sich ziehen.
Auch wenn sich viele Vorwürfe im Rahmen des Organspende-Skandals bewahrheitet haben, wurde der Großteil der Organverpflanzungen in Deutschland jedoch korrekt und den Gesetzen, Regeln und Richtlinien entsprechend durchgeführt.
Quelle: sueddeutsche.de